Schlimmster Tag der Tour und wo bitte ist endlich die Unterkunft?
Am Morgen schüttet es. Ich könnte in meiner Hütte gemütlich den Tag verbringen und erst morgen weiterfahren. Aber ich will ans Ziel kommen und das Wetter wird tendenziell weiter nördlich Richtung Tromsø auch immer stabiler. Bis zur Fähre auf die Senja nach Andenes sind es etwa 100 km, das sollte auch im Regen machbar sein. Also lege ich meine Regenkleidung an, ich habe ja jetzt die tolle Regenjacke mit Kapuze aus Bodø. Im Einkaufszentrum kaufe ich mir noch ein neues Rücklicht im großen Sportladen. Das kann bei dem Wetter nicht schaden. Ich montiere es aber nicht gleich, die teure Lupine geht gerade mal wieder.
Wenige Kilometer später jedoch, ist die Lupine verschwunden. Ich weiß nicht, ob sie jemand am Einkaufszentrum geklaut hat oder ob ich sie bei der Überfahrt dieser Brücke an der Bordsteinkante verloren habe, was wahrscheinlicher ist:
Auf jeden Fall mache ich das neue Rücklicht jetzt dran, sichere es mit einem Karabiner und hüte es auf der restlichen Tour wie meinen Augapfel. Ich habe ja zumindest noch den 7 km langen Nordkaptunnel vor mir. Selbst zuhause sollte ich das billige Rücklicht weiter nutzen.
Während ich so im Regen fahre, denke ich mir folgende Geschichte aus, die ich dann bei Strava poste:
„Heute haben wir uns getrennt. Aber ich muss sagen, die Beziehung war schon zerrüttet, seit mich die teure Lupine vor ein paar Tagen am ersten Tunnel nach dem Regen im Stich gelassen hat. Und danach nur noch rumgezickt hat. Das habe ich ihr nicht verziehen. Und jetzt macht sie sich aus dem Staub äh Regen, just nachdem ich ein neues billiges Rücklicht für 13 EUR in Sortland erstanden habe. Ihre letzten Worte waren „So eine billige (Sch)lampe“ und weg war sie.“
Die 100 km nach Andenes gestalten sich als die härtesten Kilometer bis jetzt. Es regnet in Strömen und mit 12 Grad und Seitenwind ist es auch eher kalt. Unterwegs treffe ich kurz den Spanier von der Fähre gestern an einem Bushäuschen wieder. Ich glaube, er hatte eine nasse Nacht und fragt sich wahrscheinlich warum er nicht in Spanien geblieben ist 😉
Später halte ich an, um meine Handschuhe herauszuholen, bekomme ich sie aber kaum angezogen, weil meine Hände von der Kälte geschwollen sind und es nass auch nicht wirklich gut geht. Auf den letzten 50 km verlasse ich die Originalroute und bleibe auf der Hauptstraße, weil ich fürchte, an der Westküste voll dem Wetter ausgesetzt zu sein. Außerdem spare ich hier auch ein paar Kilometer und Höhenmeter. Sicher lasse ich damit einige reizvolle Stellen der nördlichen Lofoten aus, aber bei dem Wetter können die mir gestohlen bleiben.
Kurz von Andenes plötzlich ein Schild: „Bei Rotllicht Durchfahrt verboten“. Hmm, was könnte hier passieren, dass das Rotlicht blinkt? Zum Glück ist es aus. Wenige hundert Meter weiter wird mir aber klar, um was es geht. Hier bläst übelster Seitenwind und ich bin gerade auch noch in einem starkem Regenschauer unterwegs. Ich habe wirklich Angst von der Straße geblasen zu werden. Teilweise strecke ich den Fuß raus, um nicht umzukippen. Dabei hole ich mir einen Cut in meinem linken Überschuh, na toll. Offensichtlich ist die Stelle topographisch bedingt besonders windanfällig.
Schließlich erreiche ich entnervt und erleichtert Andenes und bin froh mich in diesem Supermarkt aufwärmen zu können:
Dort gibt’s sogar im Vorraum ein Waschbecken mit Handtrockner, den ich zum Trocknen meines Oberkörpers und Trikots missbrauche.
An der Fähre von Andenes nach Gryllefjorden (Senja) gibt es keinen Unterstand, aber zum Glück muss ich nicht lange warten. Gegen Abend soll der Regen aufhören, aber je näher wir zur Senja kommen, desto schlechter sieht es aus. Bei booking wird plötzlich eine kleine Ferienwohnung ca. 30 km hinter dem Fähranleger angeboten, die war heute morgen noch nicht da. Zwar ziemlich überteuert, aber nach diesem Tag habe ich mir das verdient.
Direkt auf der Senja, bietet sich dieses Bild. Ich bin froh eine trockene Unterkunft als Ziel zu haben.
Wenig später wird es dann doch etwas besser.
Ich habe aber übersehen, dass ich noch einen kleinen Pass überwinden muss. Egal, ich habe ja eine feste Unterkunft und bleibe sogar noch öfters stehen, um Fotos zu machen.
Tja, und dann komme ich zur der Stelle, wo bei booking die Unterkunft liegen soll, ich finde sie aber nicht. Nach einigem Suchen, rufe ich dort ziemlich verzweifelt an. Es ist 20:30 Uhr und ich will endlich ins Trockene und was essen. Nach dem Tag und Erlebnissen ist mein Nervenkostüm ziemlich dünn. Nach einigen Diskussionen stellt sich heraus, dass ich noch bis Skaland fahren muss, das sind noch mal ein paar Kilometer. Mithilfe von Google Maps finde ich dann endlich das Haus.
Die Lage und der Ausblick entschädigen doch etwas. Schade, dass ich so spät angekommen bin und meine Anwesenheit nicht länger genießen kann.
Die Senja scheint das zu bieten, was ich mir von den Lofoten erhofft hatte: Berge, Meer, fantastische Landschaften und Einsamkeit. Morgen sind es nach Tromsø weniger als 100 km. Die lasse ich aber besonders langsam angehen, heute waren es wieder 143 km! Bei diesen Bedingungen, damit kann ich mehr als zufrieden sein. Wahnsinn!