Nachdem ich wegen des Windes kaum geschlafen habe, stehe ich um 5 Uhr auf. Was soll ich mich weiter schlaflos im Schlafsack rumwälzen. Ich will mittags den Bus vom Nordkap nach Alta bekommen und im Nordkaptunnel ist so früh sicher auch noch nichts los.
Die Morgenstimmung mit der nordischen Sonne fasziniert mich, es ist ziemlich frisch und ich ziehe zum ersten Mal auf dieser Tour beim Radfahren meine Dauenjacke an. Ich fange zwar schnell an zu schwitzen, aber im Nordkaptunnel dürfte es noch deutlich kälter werden.
Nach 5 km stehe ich am Nordkaptunnel, schalte meine Lichter ein und ab gehts auf die 3 km lange Abfahrt mit bis zu 9%. Bis auf 2 Motorradfahrer und 1 Auto habe ich den Tunnel für mich alleine. Unten wir es dann langsam flacher und geht in eine leichte Steigung über. Dort halte ich an und ziehe erst mal meine Jacke aus, bei den folgenden konstant 9% bergauf wird es mir schnell wieder warm. Nach 3 km Aufstieg hat mich die Sonne wieder, das war einfacher als gedacht.
In Honningsvåg gönne ich mir einen Kaffee an der Tanke und warte eine halbe Stunde. Das Besucherzentrum am Nordkap soll erst um 11 Uhr öffnen, der Bus fährt um 13:30, was soll ich dann schon so früh dort machen? Dann starte ich los auf die letzten Kilometer zum Nordkap. Noch 30 km Radfahren und das wars dann nach 3 Wochen und knapp 3000 km. Aber die haben es in sich und sind so gar kein Vergnügen, da hatte ich gestern. Zuerst geht es einen längeren Anstieg hoch.
Dann kommt man auf ein Hochplateau, auf dem ordentlich der Seitenwind bläst. Mir fällt es teilweise wirklich schwer überhaupt noch auf dem Rad zu bleiben und geradeaus zu fahren. Leider habe ich auch schon Nordkap-Videos gesehen, in denen Wohnmobile auf der Seite liegen…
Dann eine Abfahrt ein zweiter Anstieg und schließlich der Schlußanstieg zum Nordkap, das man zu diesem Zeitpunkt schon sehen kann. Hier grasen gemütlich die Rentiere. Ich bin ziemlich schnell unterwegs und überhole einige andere Radler. Ich will es hinter mich bringen…
Und dann bin ich da. Es ist so ungemütlich und unromantisch. Ich nehme gleich mein Rad, laufe zum Nordkapdenkmal und drücke jemanden mein Handy in die Hand, um das Zielfoto abzuhaken. Ich habe das Glück, dass zu diesem Zeitpunkt nix los ist, und der unfreiwillige „Fotograf“ sein Handwerk versteht. Ich vernehme noch einen Kommentar „Da hat es sich jemand wirklich verdient“. Am liebsten würde ich gleich in den Bus steigen und Heim fahren.
Ins Besucherzentrum kommt man nur mit einer Eintrittskarte für 35 EUR hinein. Hinterher erfahre ich, dass Radfahrer angeblich auch umsonst Zutritt erhalten.
Um 12 Uhr kommt mein Bus, ich darf zwar das Rad einladen, aber erst einsteigen, wenn der Bus losfährt. Norwegische Busfahrer halt…. So vertreibe ich mir die 1,5h Wartezeit in der Umgebung, mache noch ein paar Fotos und telefoniere nach Hause. Es ist so windig, dass ich mich dafür außen in einer Nische des Besucherzentrums verkrieche.
Endlich startet der Bus und mir fallen gleich die Augen zu, viel Schlaf hatte ich letzte Nacht nicht. Wenig später in Honningsvåg macht der Bus fast 3h Pause. Ich werde aus dem Bus geschmissen, mein Rad darf aber im Laderaum bleiben. Gerade kommt auch ein Kreuzfahrtschiff an, die „Mein Schiff 4“, groß wie eine Kleinstadt.
Ich verbringe fast 2h in einem Restaurant und gönne mir einen fetten Burger. Dann schlendere ich noch etwas durch den Ort, der inzwischen von hunderten wenn nicht tausenden deutschen Kreuzfahrern bevölkert wird. Ich werfe noch einen Blick in den Intersport-Laden, sehe, dass die auch Fahrräder verkaufen, und frage spontan nach einem Radkarton. Ich kann es gar nicht glauben und muss zweimal nachfragen, aber dort gibt es wirklich einen und auch noch günstig für 190 NOK. Zwar nicht sehr stabil, aber ausreichend.
Abends komme ich nach der Busfahrt wieder in Alta in meiner gebuchten Ferienwohnung an. Waschmaschine, Dusche, Herd, Fernseher, alles da, was für ein Luxus. Ich schiebe mir eine Pizza in den Ofen. Rückflug ist gebucht, Radkarton vorhanden, morgen in aller Ruhe alles packen und flugfertig machen, ich bin gerade wunschlos glücklich.
Ich habe es tatsächlich geschafft! Ich war am Nordkap!