Am Morgen ist blauer Himmel in Alta. Perfektes Radwetter! Ich fahre los und lege noch einen Zwischenstopp am Flughafen ein, um mir alles genau für die Rückreise anzuschauen. Dort bastelt gerade ein deutscher Bikepacker einen Radkarton aus Kartonresten zusammen. Das schaut nicht gut aus. Das muss doch besser gehen.
Anfangs ist noch recht viel Verkehr, aber beim ersten Anstieg bin ich schon fast alleine. Je weiter ich von Alta wegfahre, desto mehr lasse ich auch die Gedanken und Sorgen hinter mir, die ich mir zur Rückreise gemacht habe. Heute und morgen zählt nur noch das Nordkap.
Ich fühle mich gut. Mir schwebt da so ein Foto vor, mein Rad angelehnt an ein Nordkap-Schild und Blick in die Weite, aber das erste Schild, das mir begegnet, liegt im Schatten und Weite ist auch nicht. Nach dem ersten Berg folgt eine kleine Abfahrt zu einem See und Teil 2 des Anstiegs.
Oben eröffnet sich mir eine Hochebene mit der Weite, die ich bis jetzt vermisst habe. Und auch das Schild, das das perfekte Fotomotiv abgibt, taucht auf:
Ich habe mal wieder Rückenwind und es rollt fast von alleine, es geht ja auch wieder über fast 50 km langsam runter zur Küste. Ganz schön karge Gegend hier. Ab und zu sehe ich ein paar Häuser. Ich versuche mir vorzustellen, wie man hier im Winter lebt, wenn die Sonne gar nicht mehr richtig über dem Horizont aufgeht und alles voller Schnee ist.
Nach ca. 90 km erreiche ich Skaidi an der Abzweigung nach Hammerfest mit einer Tankstelle und einem kleinen Laden. Da heute die Supermärkte bzw. Verpflegungspunkte sehr rar sind, hole ich mir gleich was zu essen. Danach geht es noch mal einen Anstieg auf den Hatter 238 m hoch, bevor die Route endgültig runter an die Küste nach Olderfjord führt.
Olderfjord ist die letzte Ortschaft bis Honningsvåg, das ich aber erst morgen erreiche. Letzter Check, ob ich genug zu essen dabei habe, ein kleiner Snack und weiter gehts. Spätestens ab hier bin ich voll im Genussmodus. Es ist angenehm warm, wenig Verkehr und es kommt eine schöne Bucht nach der anderen.
Mir wird plötzlich ganz bewusst, dass dies die letzten Kilometer auf meiner Reise sind und das Ziel ganz nah ist. Da ist Genießen angesagt, noch dazu dieses Wetter!
Es ist zwar schon spät, aber Honningsvåg oder sogar das Nordkap könnte ich heute noch erreichen, wenn ich müsste, aber ich muss nicht.
Für die letzte Nacht habe ich mir standesgemäß noch eine Übernachtung im Zelt vorgenommen. Und den Nordkaptunnel möchte ich auch lieber früh am Morgen passieren, wenn wenig Verkehr ist. Als ich ein paar Kilometer von dem Nordkaptunnel auf eine Anhöhe hochfahre, habe ich meinen Lagerplatz gefunden: In der Nähe ein See, Blick aufs Meer und etwas geschützt zur Straße hinter einem Felsblock. 175 km stehen auf dem Tacho und morgen liegen nur noch gut 60 km vor mir.
Hunger muss ich auch nicht ertragen. Ich lasse es mit ordentlich schmecken und genieße die letzte Nacht im Zelt bis…
Ja, bis gegen 22 Uhr, als plötzlich unvermittelt der Wind auffrischt und an meinem Zelt rüttelt. Da wird mir klar, dass mein Zelt relativ ungeschützt steht. Ich checke den Wetterbericht und ab morgen früh um 8 gibt es in meiner Gegend eine Windwarnung für das Meer, kleinere Boote sollen nicht mehr rausfahren. Na, toll. An Schlaf ist nicht zu denken und irgendwann bin ich so entnervt, dass ich mir den Schlafsack über den Kopf ziehe, die Kopfhörer aufsetze und Spotify höre. Das beruhigt mich etwas. Gegen Morgen scheint sogar der Wind ein bisschen weniger zu werden. Aber viel Schlaf bekomme ich in dieser Nacht nicht mehr ab…