Ich habe es geschafft! Das schönste und zugleich schlimmste Sportereignis meines Lebens liegt hinter mir.
Am Sonntag morgen um 3:40 Uhr klingelte der Wecker. Ich konnte fast 5 Stunden schlafen und meinem Magen ging es auch ganz gut. Um 4:50 starteten wir dann von unserem Hotel in Nürnberg nach Hilpoltstein. Auf der Zufahrt zum Gelände standen wird etwa 20 min im Stau, aber da ich genügend Puffer eingeplant hatte, kein Problem. Mit 9 Grad war es empfindlich kühl und ich machte einen folgenschweren Fehler. Da der Reifendruck meines Rades über Nacht vermeintlich ca. 1 bar nachgelassen hatte, füllte ich dieses 1 bar wieder in die Reifen. Dabei wunderte ich mich schon, da normalerweise der Druck in meinen Reifen sehr gut hält.
In Roth geht man durch die Wechselzone zum Start und kann so bis zur letzten Minute noch am Rad bleiben. In der Profibox saßen schon Timo Bracht und James Cunama bei ihren Rädern am Boden und konzentrierten sich auf ihren Start um 6:30 Uhr. Ich war erst um 7:30 Uhr dran und vertrieb mir die Zeit mit Zuschauen. Nach dem Startschuss kamen die Profis bald von der ersten Boje zurück. Ich feuerte sie noch an, als sie unmittelbar neben mir aus dem Wechselzelt kamen und dann ging es für mich in den Vorstartbereich. Da der Schwimmstart 50 m entfernt lag, konnte man sich nach der Wasserung gleich einschwimmen. Bei der Wettkampfbesprechung wurden die Entfernungen zu den Bojen gezeigt. Meine Einstellung war, dass ich zuerst eine olympische Distanz, gefolgt von einer Mitteldistanz und abschließend einem Volkstriathlon schwimmen musste.
Die erste Boje erreichte ich dann auch recht schnell und begab mich auf die lange Strecke zur zweiten Boje. Ich fand das Schwimmen im Kanal super, da man sich am Ufer orientieren konnte und dort auch ein paar Leute nebenher liefen. So hatte man immer das Gefühl auch vorwärts zu kommen. Dennoch zog sich dieser Abschnitt ziemlich und ich hatte mit leichten Anflügen von Wadenkrämpfen zu kämpfen. Nach der zweiten Boje ging es nur noch 390 m zurück und ich entstieg dem Kanal nach knapp 1:19, 1 Minute schneller als geplant. Der ersten Meter konnte ich nur langsam gehen.
Aber nun begann ja der für mich schönste Teil des Rennens mit meiner Lieblingsdisziplin Radfahren. Ich stieg aufs Rad und bog auf die Brücke über den Kanal ein. Nach 500 m hörte ich einen lauten Knall. An der Reaktion meines Rades merkte ich, dass etwas nicht stimmte: Mein Hinterrad war platt. Ausgerechnet beim Wettkampf des Jahres. Vermutlich hatte sich die Luft inzwischen erwärmt und der Reifendruck war über den erlaubten Wert von 8,5 bar gestiegen. Na ja, bei geplanten 11 Stunden kommt’s auf 5 min auch nicht an, ich hatte zwei Schläuche dabei und die Prozedur erst kürzlich üben müssen. Zudem stellte mir ein Zuschauer auch gleich noch eine Standpumpe zur Verfügung, die er für einen anderen Atlethen aufbewahrt hatte, mein Glück. Nach 6 min. Verzögerung ging’s weiter.
Auf der ersten Radrunde ließ ich es dann recht locker angehen. Die Bedingungen waren wirklich optimal, kaum Wind und an jeder Ecke Zuschauer, die uns anfeuerten. In einigen Ortschaften spielte lautstark Musik oder die Zuschauer saßen auf Bierbänken an der Strecke. Nicht schlecht staunte ich, als ich plötzlich an meinem Studienkollegen Walter und seiner Frau Sabine vorbeifuhr, die extra aus Erlangen vorbeischauten. Insgesamt muss ich sagen, dass mir die Hügel im Gegensatz zu meiner Testfahrt zwei Wochen vorher viel einfacher vorkamen. Im Wettkampf ist das halt doch eine andere Sache, außerdem ist man am Ende der PEAK-Woche auch nicht gerade ausgeruht.
Auf der Rückfahrt von Greding freute ich mich schon die ganze Zeit auf den Solarer Berg. Kurz vorher wurde ich noch vom Führenden Dirk Bockel überholt, der einen Riesenvorsprung auf den Zweiten hatte und schließlich das Rennen auch gewann. Viel schneller als ich war der auch nicht 😉 Schon am Kränzleinsberg erhält man durch die vielen Zuschauer und die Stimmung einen Vorgeschmack auf das, was nun kommt. Dann fährt man die Abfahrt nach Hilpoltstein hinunter, kommt um die Kurve und sieht plötzlich einen Anstieg mit einer riesigen Menschenmenge vor sich. Hindurch führt eine etwa einen Meter schmale Gasse, Überholen unmöglich. Dazu ein Höllenlärm! Die Zuschauer brüllen einen förmlich den Berg hoch. Geil!
Am Ende der ersten Runde war ich etwas müde und fuhr ein paar Kilometer langsamer bis mein Motor wieder auf volle Leistung schaltete und ich in der 2. Runde das Gefühl hatte, sogar etwas schneller fahren zu können. So ließ ich an dem einen oder anderen Hügel schon mal einen größeren Gang stehen, meine Pulswerte blieben aber immer unter dem angepeilten Puls von 149. Irgendwie ging das alles viel zu einfach für einen Ironman, ich hatte noch nicht die geringste Vorahnung, welche Hölle mich beim Marathon erwartet…
Nach 5:31 stieg ich vom Rad, wenn man die 6 min Reifenpanne abzieht, ein knapper 33er-Schnitt auf 180 km, passt. In der Wechselzone half mir eine freundliche Dame und versorgte mich noch mit Sonnencreme, danke! Die ersten Laufmeter gingen ganz gut, ich musste mich ständig bremsen und relativ schnell kam ich am Kanal an. Die erste Schleife führt nach Schwanstetten, wo mich meine Arbeitskollegin Monika erwartete. Ich war froh ein bekanntes Gesicht zu sehen.
Die ersten 10 km war ich gut im Plan, der km-Schnitt zwischen 5:30 und 5:45. Auf den Weg hinein nach Schwanstetten machte sich nun langsam mein Magen bemerkbar. Schnell legte ich die geplanten Zeiten ad acta und versuchte ein für mich passendes Tempo zu finden. Dabei wurde ich immer langsamer und war schnell bei 6:30/km. Auf dem Weg zurück zum Kanal lief ich nun schon viel langsamer an Monika vorbei und es ging einen kleinen Berg hoch. Hier musste ich das erste Mal gehen. Ich war jetzt gerade bei km 15 und plötzlich war ich völlig am Ende. Selbst die Strecke zurück zur Lände erschien mir unendlich. An jeder Verpflegungstelle ging ich und versuchte 2 Schlucke Cola oder Wasser herunterzuwürgen und 2 kleine Stücke Wassermelone zu essen. Etwas anderes brachte ich nicht hinunter. Dazwischen versuchte ich immer wieder zu Laufen, obwohl mir speiübel war. Das Kotzgefühl ging auch beim Gehen nicht weg. Inzwischen war ich nicht mehr der einzige Wanderer, es wurden immer mehr…
Nach endloser Zeit kam ich endlich zur Lände, wo meine Familie stand und mich wieder etwas aufbaute. Ich war froh, kurz stehenbleiben zu können, die Endzeit war mir zu diesem Zeitpunkt völlig egal, nur Überleben. Von der Lände sind es noch 21 km ins Ziel, wie sollte ich in diesem Zustand noch einen Halbmarathon bewältigen? Nach der Lände konnte ich noch mal ein Stück laufen und dann begann die schlimmste Zeit meines Sportlerlebens. Ich erinnere mich nur teilweise daran und möchte es auch gar nicht mehr. Km 25 habe ich mit einem Schnitt von 10:00/km komplett laufend zurückgelegt. Wenigstens war die Strecke größtenteils im Schatten, aber da ich komplett nass war von den Wasser-Schwämmen, fing ich teilweise an zu frieren bei 26 Grad!
10 km vor dem Ziel machte ich mir zum ersten Mal wieder Gedanken über meine Endzeit. Ich war seit 10:40h unterwegs. Wenn ich wenigstens Sub 12 schaffen wollte, musste ich die letzten 10 km mit 7 min/km absolvieren, das erschien mir gerade so machbar. Normalerweise würde ich dieses Tempo als Kriechen und nicht Laufen definieren. Was mich aber noch mehr motiviert hat, war der Gedanke, dass ich mit Gehen noch 100 min (10 min x 10 km) gebraucht hätte. Eine unvorstellbar lange Quälerei!
Nach einer letzten Wanderpassage, auf der mich Kristin begleitete, fing ich wieder mit dem Laufen an. Die Verpflegungsstellen ignorierte ich ab jetzt, da mir schon beim Gedanken an Wasser noch übler wurde. Irgendwie schaffte ich es die letzten 8 km durchzulaufen, zwar im Scheckentempo, aber ich schaffte die 7 min/km. Ich überholte nun viele, da fast alle gingen. Nach endloser Runde durch Roth, auf der ich jeden Meter zählte, traf ich endlich auf eine bekannte Kreuzung in der Nähe des Triathlonstadions und ich wusste, ich bin nun bald zuhause. Auf der Zielgerade schaffte ich es gerade noch die Arme hochzureißen und mir ein Lächeln abzuringen: Nach 11:51:47h!
Im Ziel ging es mir leider nicht besser, immer noch war mir speiübel, auch nach 10 min Ausruhen. Ich versuchte beim Sani mein Glück, wurde aber abgewiesen, da der schon überfüllt war. Ich solle versuchen zu trinken… Ich konnte eben noch stehen im Gegensatz zu vielen anderen, die im Minutentakt auf der Trage eingeliefert wurden. Zum Glück fand mich mein Vater und konnte für mich einen Platz im Warteraum beim Sani erkämpfen. Dort kümmerte sich rührend ein Junge um mich, dessen Opa dort gerade in Behandlung war. Nach 20 min. konnte ich wieder schlückchenweise trinken und es ging mir besser. Langsam machte sich ein unheimlicher Stolz breit. Auch wenn es nicht zu Sub 11 gereicht hat, ich habe es geschafft, ich bin ein Ironman! Auf die Anmeldung fürs nächste Jahr habe ich aber dann doch freiwillig verzichtet. Interessant ist, dass selbst Maik Petzold (Olympiateilnehmer auf der Kurzdistanz), der sich Roth als Abschiedsrennen für seine Karriere aussuchte und dort seine erste Langdistanz absolvierte, mit 3:50h auch beim Marathon einging…
In Erinnerung bleibt für mich vor allem diese unglaubliche Atmosphäre und Begeisterung in Roth. An diesem Tag hörte ich hunderte Male meinen Namen von wildfremdem Menschen, die mich frenetisch anfeuerten. Angefangen von Aufmunterungsrufen, über Sprechchöre „Achim, Achim, Achim!“ und Händeabklatschen. Vielen Dank, ihr seid die Größten! You are Triathlon!