Heute geht es hinunter nach Les Houches und über den Col de Voza nach Les Contamines. Dabei kann man ab dem Col de Voza eine etwas weitere Variante gehen, die am Glacier de Bionmassay vorbeiführt und über den Auberge du Truc nach Les Contamines führt. Da mir die Originalroute zu langweilig aussieht, möchte ich auf jeden Fall die Variante gehen. Hinter Les Contamines gibt es einen Campingplatz und im weiteren Verlauf zum Col du Bonhomme mehrere offizielle Biwakstellen. Das wird zwar ein langer Tag, aber ich will es heute wissen, austesten, wie weit ich komme.
Hier noch der Blick in die andere Richtung am Morgen:
Erstmal muss ich vom See wieder auf den Grat zum Col de Bellachat aufsteigen, bevor es hinunter nach Les Houches geht. Da ich keine Lust habe, den Weg von gestern wieder zurückzugehen, steige ich westlich vom See auf einer Pfadspur nach oben und komme an dieser genialen Stelle heraus:
Was für ein traumhafter Zeltplatz mit Blick auf den Mont Blanc! Allerdings ohne Wasseranschluss und ob der noch in der erlaubten Zone liegt, habe ich bis heute nicht nachgeprüft.
Als ich die Refuge de Bellachat passiere, sind einige Leute auf der Terrasse, aber die Amerikanerin von gestern scheint nicht dabei sein. Wie wohl ihre Nacht verlaufen ist? 1100 Höhenmeter weniger passiere ich das Ortsschild von Les Houches und kaufe mir beim erstbesten Outdoorladen noch eine kleine Gaskartusche für alle Fälle. Ich staune nicht schlecht als ich kurz danach am offiziellen Startpunkt der Tour du Mont Blanc stehe. Hier am Tourismusbüro gibt es sogar ein Start-Tor. Auf den aufgestellten Liegestühlen mache ich kurz Pause.
Dann starte ich die TMB zum zweiten Mal, dieses Mal offiziell. Der Weg führt noch eine Weile durch die Ortschaft von Les Houches und schlängelt sich den Berg hoch.
Bis man an einem Skilift steht. Von hier gehts einen Karrenweg gnadenlos steil und direkt hoch zum Col de Voza. Ich verfluche die Planer dieses Weges und frage mich, ob man nicht ein paar Serpentinen für die Wandernden hätte anlegen können. Unterwegs werde ich von meinem E-MTB-Fahrer überholt und einem deutschen Wanderpaar nach dem Weg gefragt.
Oben am Col de Voza wird man aber für die Mühen mit herrlichen Almwiesen und fantastischen Ausblicken zum Mont Blanc entschädigt. Überhitzt stürze ich in die Bar und gönne mir ein Radler für 8 EUR plus Sandwich. Hier in der Nähe ist auch eine Bahnstation der Zahnradbahn zum Le Nid d’Aigle, dem Ausgangspunkt zur Besteigung des Mont Blanc. Die Bahn führt direkt zum Gletscher, aber man sieht keine Bergstation oder Tunnel. Auf der Karte stelle ich später fest, dass es dort außer der Bahnstation auch wirklich gar nichts gibt, und sich eine Auffahrt nur lohnt, wenn man weitergehen will.
Nach der Mittagspause folge ich der Zahnradbahn bis Bellevue, von der die Variante abzweigt. Anfänglich geht es sich eben und sehr angenehm, aber dann folgt ein Abstieg hinunter zu einer abenteuerlichen Hängebrücke über den Gletscherfluss, die nur einzeln überquert werden kann.
Auf der anderen Seite geht es jetzt ordentlich hoch zum Col de Tricot. Dabei hat man von einem Bergrücken aus einen herrlichen Ausblick zurück zum Col de Voza:
Nach 6h Gehzeit erreiche ich endlich den Col de Tricot und erblicke den nächsten, langen Abstieg in ein wunderschönes Gletscher-Seitental.
Ich habe mir heute als Zwischenziel in den Kopf gesetzt, in Les Contamines im letzten Supermarkt noch was Leckeres zu Essen und zu Trinken zu kaufen. Da ich vermute, dass der Supermarkt um 18:30 Uhr schließt, muss ich mich ranhalten. Als ich den Abstieg in das Seitental endlich hinter mir habe, reichts mir eigentlich für heute. Hier gibt es einen schönen Biwakplatz, aber einmal gefasste Ziele gebe ich ungern auf. Als auf geht’s zu den letzten 200 Höhenmetern zum Auberge le Truc! Ich passiere eine Gruppe von 3 älteren Männern, von denen einer mit Krämpfen auf einem Holztisch liegt…
Ich stürme fast joggend die endlosen Forstwege hinunter nach Les Contamines und bin um 18:35 Uhr am Supermarkt, um festzustellen, dass der sogar bis 19:30 Uhr geöffnet hat. Ich decke mich mit Eis, Cola, Obst und Schokolade ein. Doch ich bin noch nicht am Ziel. Nach weiteren 30 min und insgesamt fast 9h reiner Gehzeit, 31 km und 1500 Hm laufe ich endlich am Campingplatz von Les Contamines ein. Keinen Schritt weiter! Hier ist viel mehr los als erwartet. Auf der Zeltwiese mit 20-30 Zelten suche ich mir einen freien Platz. Nachdem ich geduscht bin, gewaschen und gegessen habe, ist es schon fast dunkel und ich falle in einen unruhigen Schlaf.